FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 2. FEBRUAR 2015
"Personalmanagement ist heute die am meisten unterschätzte Aufgabe in Organisationen. Die Unterstützungsfunktion Personals längst zu einer Kernfunktion geworden, doch noch immer handeln viele Führungskräfte nicht danach. 1997 hat der amerikanische Managementforscher Dave Ulrich mit seinem Buch „HR Champions“ die Rolle des Personalmanagements vom Kopf auf die Füße gestellt. In einer deutschen Zusammenfassung seiner Gedanken heißt es: ,,Das Personalwesen sollte nicht durch das definiert sein, was es tut, sondern durch das, was es bewirkt." Ulrich hat vier Rollen für Personaler definiert: administrativer Experte, Anwalt der Beschäftigten, Veränderungsmanager und strategischer Partner der Geschäftsführung. Dabei wird die Personalabteilung sowohl vom Linienmanagement als auch von ex-ternen (Outsourcing-)Dienstleistern unterstützt. Drei organisatorische Einheiten sollten, flankiert von modernen Technologien, die Personalarbeit übernehmen: die Business Partner (für Beratung der Führungskräfte), die Competence Center (für Wissen, Konzepte und Methoden) und die Service Center (für standardisierte Dienstleistungen).
In Reinform funktioniert Ulrichs Modell nur selten. Insofern ist es nicht primär ein Organisations-, sondern ein Orientierungsrahmen: Personalleiter können sich so mit der strategischen, beratenden und gestaltenden Rolle mehr und mehr anfreunden. Jetzt sollten Personal-manager dieses revolutionäre Denken erst einmal verinnerlichen und vorleben. Da ist noch genug zu tun. Das Personalmanagement muss sich jetzt - so paradox es klingt – in zwei gegenläufige Richtungen verbessern: Zum einen sollte es sich stärker als bisher auf die Strategie des Unternehmens beziehen. Was ist unsere Vision, was sind unsere Ziele? Wie ticken unsere Kunden? Was können wir besser als unsere Wettbewerber? Wenn Personaler an der Grundsatzentscheidung beteiligt sind, ob ein neues Werk in Indien eröffnet wird, dann wirken sie strategisch mit. Wenn sie lediglich die Mitarbeiter dafür rekrutieren, sind sie nur Umsetzer.
Zum anderen sollte das Personalmanagement einen maßgeblichen Beitrag zum operativen Geschäft leisten. Dafür muss es bei den Zielen und Bedürfnissen der Abteilungen Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb oder Finanzen ansetzen und dort konkreten Mehrwert stiften. Haben wir die richtigen Mitarbeiterqualifikationen an Bord? Wie ist es um das Mitarbeiterengagement bestellt? Stimmt die Führungsqualität? Stimmen die Strukturen und Prozesse? Wenn in der Produktion ein neues Planungssystem eingeführt wird, sollten siech Personaler überlegen, wie dadurch Abläufe vereinfacht und beschleunig! Werden und wie sie die Akzeptanz der Mitarbeiter für dieses Werkzeug erhöhen können.
Das ist der Spagat, den Personalmanagement heutzutage leisten muss -und oft (noch) nicht beherrscht. Häufig fehlt in den Personalabteilungen sowohl der Blick fürs Strategische als auch fürs Operative. Eine „weiche" Position in der Mitte - ein bisschen Dienstleister für alle, regelmäßige Jours Fixes mit der Unternehmensspitze, ein routiniertes Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsrat, gelegentlich mit den Führungskräften sprechen, dazu die Mitarbeiter betreuen - reicht längst nicht mehr.
Neben mehr Strategieorientierung und Geschäftsnähe sollte sich ein modernes Personalmanagement vom systemischen Denken leiten lassen. Organisationen sind lebendige, komplexe, sich selbst erneuernde. Systeme. Veränderungen können in diesem Gefüge nicht vorgeschrieben, sondern durch Impulse und Interventionen nur angeregt werden. Statt linearer Abläufe und fest planbarer Kausalketten (Prinzip: Wenn A, dann B) geht es im systemischen Weltbild um iterative und rekursive Prozesse (Prinzip: Wenn A nicht funktioniert, probieren wir B oder wiederholen A). Das Leben mit Ungewissheiten, Überraschungen, Widersprüchen, „parallelen Wahrheiten" und Emotionen ist typisch für die systemische Herangehensweise. Die Führungspersonen sind in diesem System zugleich Beobachter, Betroffene und Mitgestalter. Selbstreflexion und Vernetzung werden zu Schlüsselkompetenzen.
Das strategische, operative und systemische Denken im modernen Personalmanagement sollte auf fünf Handlungsfeldern umgesetzt werden:
Strategie: Personalmanagement dient der Klärung und Umsetzung der Unternehmensziele und der Schaffung der dafür notwendigen Voraussetzungen und Ressourcen.
Organisation: Personalmanagement kümmert sich w11 die Effektivität und Effizienz der Strukturen und Prozesse und die Beseitigung von Engpässen.
Führung: Personalmanagement bindet die Führungskräfte aktiv in die relevanten Aktivitäten und Projekte ein und sorgt für eine exzellente Führungsqualität und Führungskultur.
Personalentwicklung: Personalmanagement ist für die Bereitstellung der erforderlichen Mitarbeiterkompetenzen verantwortlich.
Personalsteuerung: Personalmanagement ermöglicht einfache und wirksame Personalprozesse im Bereich Administration und misst regelmäßig die Ist-Soll-Abweichungen bezüglich der Unternehmens- und Personalziele."
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